Es hätte das Jahr der BHC-Herren werden können, doch mit der Corona-Pandemie kam alles anders. Dabei hatte 2020 aus BHC-Sicht perfekt begonnen, denn am 26. Januar beendete das Team von Trainer Rein van Eijk die 1. Hallenhockey-Bundesliga Ost als ungeschlagener Tabellenführer mit 28 Punkten aus zehn Spielen sowie 107:38 Toren. Keiner anderen der insgesamt 24 Bundesliga-Mannschaften war es gelungen, in der Saison 2019/20 so viele Punkte zu holen und mehr als 100 Treffer zu erzielen. „Schon vor Saisonbeginn haben wir uns im Trainerteam gesagt, dass wir das Zeug haben, deutscher Meister zu werden. Auch wenn uns zu diesem Zeitpunkt die Jungs noch für verrückt erklärt haben“, erinnert sich van Eijk.

Nur eine Woche später empfingen die Berliner im heimischen Cole-Sports-Center den Hamburger Polo-Club im Viertelfinale der Deutschen Meisterschaft. Der BHC gewann verdient mit 6:3 und zog erstmals nach 2016 wieder in eine DM-Endrunde in der Halle ein. „Das Viertelfinale hat den Jungs einen Riesenschub gegeben und das Vertrauen in sie selbst ist noch einmal deutlich gewachsen“, berichtet der Coach. Im DM-Halbfinale von Stuttgart am 8. Februar setzte der BHC dann seine Erfolgsserie fort und warf den favorisierten Westchampion Uhlenhorst Mülheim mit 8:4 aus dem Titelrennen. Für den Hauptstadtclub war es die erste Finalteilnahme seit 14 Jahren und der erste Hallentitel seit 1975 war plötzlich zum Greifen nahe. Doch für den ganz großen Wurf hat es nicht gereicht, der BHC verlor das Endspiel am 9. Februar denkbar knapp mit 6:7 gegen Rekordchampion Rot-Weiss Köln. „Das tut mir nach wie vor weh“, gesteht van Eijk.

Kapitän Paul Dösch stimmt zu: „Wir hatten eine unheimliche Euphorie in der Mannschaft. Ich hatte mir den Titel gerade für die älteren Spieler unter uns so sehr gewünscht. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir Jüngeren in naher Zukunft noch einmal eine solche Gelegenheit haben werden.“ Für den 22-Jährigen hatte 2020 bereits mit einem Titel begonnen, denn Mitte Januar führte er die deutsche Hallenhockey-Nationalmannschaft als Kapitän zum Europameister-Titel im Berliner Horst-Korber-Sportzentrum. „Ich hätte mir diesen EM-Verlauf nicht besser erträumen können. Es war mein erster Titel im Herrenbereich, noch nie zuvor habe ich vor so vielen Zuschauern gespielt“, verrät Dösch.

Trotz des verlorenen DM-Endspiels in Stuttgart waren die Vorzeichen für ein erfolgreiches BHC-Jahr zu diesem Zeitpunkt durchweg positiv, die erfolgreiche Hallensaison der Herren war im gesamten Club spürbar und verlieh auch den anderen BHC-Teams neue Energie. Doch die Euphorie wurde noch am Nachmittag des Finaltages  erstmals gebremst: Orkan „Sabine“ steuerte auf den Süden Deutschlands zu und brachte nahezu den gesamten Flug- und Bahnverkehr bundesweit zum Erliegen. Unsere Herren kamen noch gemeinsam mit dem Zug nach Nürnberg, mussten sich dort dann aber in Großraumtaxis aufteilen, um die Heimfahrt in Kleingruppen zu vollenden. „An sich wollten wir zusammen feiern, aber die Reisestrapazen haben uns alle dann müde gemacht. Zudem ist jeder wann anders im Clubhaus angekommen, was die Stimmung natürlich getrübt hat“, erinnert sich Dösch. Doch Trainer van Eijk kann den Strapazen rückblickend etwas Positives abgewinnen: „Eigentlich steht diese Rückfahrt symbolisch für den restlichen Verlauf des ganzen Jahres. Wir wurden auseinander gerissen, haben uns verloren, aber dann immer wieder gefunden und sind sogar gestärkt und noch motivierter aus der Sache hervorgegangen.“

Anfang März sind die Herren dann gemeinsam mit den Damen nach Barcelona ins Trainingslager aufgebrochen, um sich für den Start der 1. Bundesliga-Rückrunde fit zu machen. „Wir hatten uns selbst hohe Ziele für die Rückrunde gesteckt. Wir wollten auch auf dem Feld ins Final Four und wussten, dass dies auch realistisch ist“, verrät der Kapitän. Van Eijk ergänzt: „Wir waren extrem fit und hatten gemeinsam den Spaß, jetzt weiterzumachen.“ Doch es kam anders: Noch während des Trainingslagers häuften sich die Meldungen über weitere Corona-Fälle in der Heimat. Zwei Herrenspieler mussten sich sogar in Spanien auf das Virus testen lassen, nachdem bekannt geworden war, dass sie zeitgleich mit Infizierten in einem Berliner Nachtclub gewesen sind.

Nach der Rückkehr aus dem Trainingslager zeichnete sich dann schnell ab, dass die Rückrunde nicht wie geplant starten würden. Auch die Hoffnungen auf einen verspäteten Beginn Ende Mai zerschlugen sich mit der Zeit. Spätestens zu Pfingsten war klar, dass vor Herbst kein Bundesligahockey mehr gespielt werden würde. „Das war natürlich schade. Auch in unseren wöchentlichen Team-Meetings über Zoom ist immer das gleiche erzählt worden, denn keiner wusste, ob und wenn ja es wieder losgehen würde. Der größte Knick war der Punkt, ab dem wir nicht mehr in Gruppen, sondern ganz allein trainieren mussten“, erinnert sich Dösch, der als Nationalspieler immerhin über eine Ausnahmegenehmigung verfügte und so am Olympiastützpunkt auch während des ersten Lockdowns den Schläger in die Hand nehmen durfte.

Zum Ende der Sommerferien wurde dann immer deutlicher, dass die Rückrunde im September unter strengen Hygieneauflagen starten würde. „Es war schade, dass wir uns untereinander lange Zeit nicht mehr gesehen hatten, aber jeder wusste, dass er im August fit sein muss“, berichtet der Hallen-Europameister. „Wir alle waren froh, dass wir endlich wieder spielen dürfen, auch wenn keiner wusste, für wie lange.“ Doch auch hier setzte sich die emotionale Achterbahnfahrt fort: Nach den ersten beiden Rückrundenspielen am 5./6. September stellte sich zum Wochenbeginn heraus, dass bei Samstagsgegner Harvestehude zwei infizierte Spieler auf dem Platz gestanden haben. Folglich stellte der BHC als Vorsichtsmaßnahme den Trainingsbetrieb der Herren mit sofortiger Wirkung ein und testete noch am Mittwochabend den gesamten Kader inklusiver Trainer- und Betreuerstab. Die Ergebnisse ließen bis Freitag auf sich warten, ehe Gewissheit herrschte, dass sich kein Berliner angesteckt hatte. Noch am selben Tag machte sich das Team dann ohne Training auf zum ersten Auswärtswochenende nach Mannheim.

„Das gesamte Jahr war ein Charaktertest für uns alle und rückblickend waren auch viele spannende Höhepunkte und Rückschläge dabei“, sagt van Eijk, der auch als Trainer dazulernen konnte. „Ich bin jetzt noch flexibler geworden und habe trotz der anspruchsvollen Situation mit der Mannschaft weitere Entwicklungsschritte gemacht.“ Bis Ende Oktober lief die Saison dann aus BHC-Sicht ohne weitere Zwischenfälle ab, erst das allerletzte Spiel für dieses Kalenderjahr wurde auf Wunsch des Gegners Club an der Alster verschoben. Der Deutsche Hockey-Bund hatte es den Clubs am 31. Oktober / 1. November aufgrund bundesweit steigender Infektionszahlen freigestellt, die Spiele noch zu absolvieren.

Mit der Verkündung des Lockdown Lights war dann klar, dass auch die Hallensaison nicht wie geplant stattfinden würde. Letzte Hoffnungen auf einen verspäteten Beginn im Dezember zerschlugen sich spätestens mit der Verlängerung der bestehenden Einschränkungen. Die BHC-Herren haben sich nun darauf verständigt, vorerst auf gemeinsame Videokonferenzen zu verzichten. Stattdessen trainiert jeder allein und im eigenen Ermessen. „Man hat dadurch mehr Zeit, sich intensiver auf das Studium zu konzentrieren“, sagt Bachelorstudent Dösch. Van Eijk hat volles Vertrauen, dass seine Spieler sich auch ohne wöchentliche, virtuelle Zusammenkunft fit halten: „Wir gehen momentan von der Fortsetzung der Rückrunde im Frühjahr aus. Wir wissen, dass wir 13 Wochen brauchen, um topfit zu sein. Im Januar werden wir Stand jetzt wieder mit dem Feldtraining beginnen und die Jungs wissen, wie anstrengend das werden wird.“ Dösch bilanziert: „Ich finde das Jahr 2020 jetzt auch nicht so negativ wie häufig dargestellt. Wir haben das Beste draus gemacht. Ich freue mich jetzt einfach auf die Zukunft. Das ist für mich auch der Reiz, weiterzumachen.“

Eine nicht ganz so große Achterbahnfahrt der Gefühle erlebten die BHC-Damen. „Wir haben in diesem Jahr gelernt, flexibel mit Dingen umzugehen, mit denen man nicht gerechnet hat“, sagt Damencoach Stan Huijsmans. „Man konnte nur schwer nach vorne planen, die Vorbereitung war nur selten optimal, aber die Mädels sind damit super umgegangen.“ Anders als die Herren treffen sie sich auch während der Wintermonate wöchentlich virtuell zum gemeinsamen Kraft- und Athletiktraining. Ebenso hat eine virtuelle Weihnachtsfeier stattgefunden und es werden auf freiwilliger Basis Teamevents wie Online-Kochabende organisiert. „Der soziale Aspekt ist einfach unheimlich wichtig“, findet Huijsmans. „2020 war ein Jahr extremer Herausforderungen, aber wir können dankbar sein, dass wir auch virtuell den Kontakt zueinander halten können. Ich denke, von dieser neuen Art der Zusammenkünfte wird auch in Zukunft was bleiben. Es müssen beispielsweise nicht immer alle Trainer am gleichen Ort sein, um gemeinsam etwas zu besprechen.“ 

Foto: BHC / Fritz Ebeling