Der Vorstand des Berliner Hockey-Clubs räumt dem Thema Kinder- und Jugendschutz eine noch höhere Präsenz ein und hat dafür jetzt sogar den eigenständigen Funktionsposten des ehrenamtlichen Kinderschutzbeauftragten geschaffen. Anlass für die Priorisierung des Themas ist eine Initiative des Landesportbundes (LSB) Berlin, der Ende September ein Kinderschutzsiegel vorstellte, welches Sportvereine erhalten, sofern sie sechs definierte Kriterien erfüllen. Diese umfassen die Angabe der/des Kinderschutzbeauftragten, die Unterzeichnung der Kinderschutzerklärung und des Ehrenkodexes durch den Verein, die regelmäßige Überprüfung der erweiterten Führungszeugnisse für alle mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Personen, sowie die Verankerung der Prävention jeglicher seelischer, verbaler, körperlicher und sexualisierter Gewalt in der Vereinssatzung. Zudem müssen regelmäßige, verbindliche Schulungen und Fortbildungen zum Thema Kinderschutz und Prävention erfolgen sowie die Eckpunkte des LSB für ein Schutzkonzept umgesetzt sein.

„Als wir von der Möglichkeit des Kinderschutzsiegels erfahren haben, war uns sofort klar, dass wir uns schnellstmöglich darum bewerben und dieses auch erhalten möchten“, sagt BHC-Präsident Dirk Gaßmann und unterstreicht: „Durch die Initiative des LSB ist auch unser Blick noch einmal geschärft worden, die bestehenden Prozesse zu kontrollieren und gegebenenfalls zu verbessern. Und genau diese Optimierung beginnen wir jetzt mit der Ernennung zweier Kinderschutzbeauftragter. Es hat im BHC aber keinerlei Anlass oder Verdachtsfall gegeben.“

Auf seiner letzten Sitzung am Mittwoch, den 2. Dezember benannte der Vorstand dann Kerstin Brinkhoff und Christopher Liebscher offiziell zu den Kinderschutzbeauftragten des BHC. Beide haben jeweils Kinder in der Hockeyabteilung des Clubs, Brinkhoffs Tochter spielt in der weiblichen Jugend B, ihr Sohn ist genau wie Liebschers beide Söhne bei den Knaben C aktiv. „Timo Stephan hatte mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mich in diesem Bereich zu engagieren“, erzählt Liebscher, der als Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht  über einen juristischen Hintergrund mit Bezugspunkten zum Thema verfügt. Unterstützt wird der 46-Jährige von Kerstin Brinkhoff, die als Richterin am Landgericht Potsdam und stellvertretende Vorsitzende der Kammer für Bankrecht arbeitet. „Wir möchten hier an die Initiative des LSB anknüpfen und auch beim BHC noch einmal alle für das Thema sensibilisieren sowie eine Überprüfung der eigenen, schon bestehenden Konzepte durchführen“, sagt die 49-Jährige.

Gemeinsam haben Liebscher und Brinkhoff ein Positionspapier verfasst, was dem Vorstand und der Geschäftsstelle des BHC vorliegt. „Erst am Wochenende habe ich wieder von einem Missbrauchsfall in der Zeitung gelesen. So etwas geschieht im Verborgenen und danach heißt es dann häufig: ‚Das hätten wir diesem Menschen nie zugetraut‘“, berichtet Liebscher, weswegen eine Prävention von Gewalt jeglicher Art für ihn die Basis ist, um Schlimmes zu verhindern. „Je mehr präventive Maßnahmen ein Club ergreift und je transparenter er diese macht, desto abschreckender wirkt er auf potentielle Täter oder Täterinnen“, erläutert der Jurist.

In den kommenden beiden Monaten wollen die Kinderschutzbeauftragten noch einmal prüfen, ob von jeder/m im BHC engagierten Trainer/in, Co-Trainer/in und Betreuer/in ein erweitertes Führungszeugnis vorliegt, das nicht älter als zwei Jahre ist und ob die Ehrenerklärung unterzeichnet wurde.  Die Regeln für Trainer und Betreuer im Umgang mit Kindern, jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen gemäß der neu überarbeiteten Vorlage des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), eine Kopie der vom BHC unterzeichneten Kinderschutzerklärung sowie konkrete Termine zur Schulung zum Thema Kinderschutz werden den Trainer/innen und Betreuer/innen übersandt. Hier weiß Brinkhoff, wie wichtig ein sensibles Vorgehen bei der Kontaktaufnahme ist, um eine abwehrende Reaktion beim Adressaten zu vermeiden: „Aus dem Anschreiben muss klar hervorgehen, dass es keinen Anlass oder Verdachtsfall gibt, weswegen die Person kontaktiert wird. Wenn der Text einfühlsam und sensibel formuliert ist, bin ich davon überzeugt, dass jede und jeder den Hintergrund des Schreibens verstehen wird und sich niemand persönlich angegriffen fühlt. Zudem kommunizieren wir ja jetzt im Vorfeld, dass jeder im Verein mit Kontakt zu Kindern ein solches Anschreiben erhalten wird.“

Im Zuge ihrer Bestandaufnahme möchten die Kinder- und Jugendschutzbeauftragten im zweiten Schritt einen Prozess etablieren, der das zukünftige Controlling vereinfacht. Ziel ist es, dass zum Ende des ersten Quartals 2021 möglichst alle Dokumente von allen im BHC engagierten Personen vollständig vorliegen. Zudem möchten Liebscher und Brinkhoff gemeinsam mit Timo Stephan eine erste grobe Analyse und Einschätzung von Gefährdungspotenzialen und Gefahrensituationen im Verein erstellen. Dabei sollen Bereiche identifiziert werden, in denen Präventionsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche erforderlich sind.  Ferner möchten die Kinderschutzbeauftragten gemeinsam mit dem Vereinsmanager und dem Vorstand proaktiv einen internen Ablaufplan erarbeiten, der allen Beteiligten Sicherheit bei der Bewältigung und Bearbeitung eines etwaigen zukünftigen Verdachtsfalls gibt. Dieser Plan soll die Persönlichkeitsrechte des Opfers schützen, wird aber auch Vorgaben zur konkreten Sachverhaltsermittlung enthalten, um vorschnelle Anschuldigungen zu vermeiden.

Liebscher und Brinkhoff möchten zusammen mit Timo Stephan auch ein entsprechendes Schulungsangebot zum Kinderschutz schaffen, das jedes Vereinsmitglied mit Kinderkontakt bis zum Herbst 2021 wahrnehmen sollte. Zudem wird empfohlen, auf der nächsten Mitgliederversammlung folgenden Passus in die Satzung aufzunehmen: „Der BHC verurteilt jegliche Form gewalttätiger Übergriffe und sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen. Schwerwiegende und strafrechtlich relevante Verstöße führen zum Vereinsausschluss.“ Auch eine regelmäßige Begehung von Umkleidekabinen und sanitären Einrichtungen soll in die Präventionsprozesse aufgenommen werden, um beispielsweise die Installation von Kameras, wie in der Vergangenheit in einem anderen Berliner Verein geschehen, zu vermeiden.

Ganz wichtig es Liebscher und Brinkhoff noch einmal zu betonen, dass sie keineswegs den Eindruck von Kontrolleuren erwecken und auch im Club nicht als solche wahrgenommen werden möchten. „Wir wollen hier weder die Aufpasser noch die Moralapostel sein. Uns geht es mit unserem Engagement um die Umsetzung eines Präventions- und Interventionskonzept zum Schutz der Kinder, wie es von Experten und Verbänden geraten und gefordert wird“, erläutert Brinkhoff. Das Ziel der Kinderschutzbeauftragten ist es, alle in ihrem Konzept genannten Bereiche noch im kommenden Jahr umzusetzen.

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Foto: BHC / privat