Präsident Dirk Gaßmann erläutert im Club-Interview die aktuelle Situation rund um das Thema Jugend-DM und Jugend-Spielbetrieb.
Die deutschen Jugend-Meisterschaften im Herbst diesen Jahres sind durch den Deutschen Hockey-Bund abgesagt worden. Befürwortest du diese Entscheidung oder hältst du sie für verfrüht?
Dass wir die Deutschen Meisterschaften in der Jugend 2020 nicht im regulären Modus spielen können, stand schon fest, als wir im April aufgrund des Corona-Lockdowns nicht in die Feldsaison starten konnten. Als ich jedoch von der Entscheidung des Bundesjugendrats am 06. Juni erfuhr, den Spielbetrieb für die Feldsaison 2020 komplett abzusagen, war ich mehr als irritiert. Vor dem Hintergrund, dass alle anderen Sportarten bei sinkenden Infektionszahlen versuchen in einen – wie auch immer – organisierten Spielbetrieb zurückzufinden, ist die Entscheidung aus meiner Sicht ein ganz verheerendes Signal für den gesamten Hockeysport. Auch wurden die Vereine nicht ausreichend in die Entscheidung mit einbezogen. Als mich dann Michael Green vom HTHC zu nachtschlafender Zeit anrief und mir von einer gemeinsamen Initiative mit dem Polo Club Hamburg erzählte, die Jugend DM doch zu planen und stattfinden zu lassen, habe ich sofort gesagt: Michael, da sind wir dabei! Und letztendlich haben sich mehr als 20 große Vereine an die Spitze des DHBs gewandt, um den Verband dazu zu bewegen, die Entscheidung zu überdenken.
Was ist dann passiert?
Es gab sehr viele konstruktive Gespräche, sowohl in Berlin als auch auf Bundesebene, um Lösungen und Wege für die Kinder und Jugendlichen zu finden. Das Thema ist äußerst komplex und vielschichtig. Der Bundesjugendvorstand ist jetzt zuletzt am 30.06. zusammengetreten. Der Zeitplan sieht momentan so aus, dass bis Ende Oktober die Landesmeister ausgespielt werden, um dann im November Saisonabschluss-Turniere zu spielen. Das wird dann möglicherweise keine offizielle Deutsche Meisterschaft werden, gibt aber den Kindern und Jugendlichen die Chance wieder Hockey zu spielen. Hierfür wurde ein Taskforce gegründet, die bis zum 29.08. einen Vorschlag für ein vom DHB zu veranstaltendes Saison-Abschlussturnier vorlegt.
Auch der Berliner Spielbetrieb soll nach den Sommerferien nicht wieder aufgenommen werden. Nun hat der BHV die Organisation der Jugend-Endrunden an eine Task Force übergeben, in der auch der BHC vertreten ist. Was besprecht ihr in dieser Task Force?
Die Organisation der Berliner Endrunde findet in enger Abstimmung mit allen Berliner Vereinen und dem BHV statt. Letztendlich muss der BHV dem Vorschlag der Taskforce ja auch zustimmen, sonst können wir das Ganze nicht Berliner Meisterschaft nennen. Unser Vereinsmanager, Timo Stephan, vertritt unsere Interessen in der Taskforce. Uns geht es vor allem darum, dass für alle Vereine ein level-playing-field gilt und keiner benachteiligt wird. Die Idee ist momentan, dass wir an fünf Wochenenden Turniere ausspielen, während die Spielzeit der einzelnen Spiele verkürzt wird. Das ist nicht schön, aber schließlich fehlt uns eine halbe Saison.
Sind die Interessen von Leistungssport (1. Mannschaften) und Breitensport (2./3. Mannschaften) vertreten? Wenn ja, wie?
Es liegt heute noch kein Spielplan für die Bundesligen vor. Der Start der Ligen ist jedoch für das erste Wochenende im September vereinbart. Auch sind wir in enger Abstimmung mit dem BHV, um den Spielbetrieb innerhalb Berlins im Erwachsenenbereich an sich wiederaufzunehmen. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier die Interessen synchronisieren können. Schwieriger hingegen ist es, dass zahlreiche Landesverbände den Sichtungsmaßnahmen zumindest einen Gleichrang zur DM Jugend einräumen und nur unter verschiedenen Voraussetzungen, wie zum Beispiel das Stattfinden von Landessichtungen und Bundesstützpunktturnier, der Idee von weiterführenden Meisterschaften zugestimmt haben. Einfacher hingegen läuft die Abstimmung mit den jeweiligen Bundestrainern.
Wo siehst Du die größten Herausforderungen?
Natürlich steht für den BHC die Gesundheit aller Beteiligten an erster Stelle. Daher müssen wir alle Entscheidungen mit Augenmaß und mit Hinblick auf die jeweilige Pandemie-Situation treffen. Darüber hinaus könnten regionale Lockdowns dazu führen, dass eigentlich qualifizierte Teams nicht an Zwischen- bzw. Endrunden teilnehmen können. Ist das dann am Ende noch eine Deutsche Meisterschaft? Ich denke nicht. Auch ist es wichtig, dass die Planungen des Spielbetriebes im Kinder- und Jugendbereich nicht im luftleeren Raum stattfinden. Die berechtigten Interessen der Vereine, der Stützpunkt- und Bundestrainer, der Bundesligen und der Verbände sind ebenfalls zu berücksichtigen. Bei den Diskussionen wird aus meiner Sicht oft vernachlässigt, worum es eigentlich in der Frage geht: den Kindern und Jugendlichen Hockey, als Mannschafts- und Wettkampfsport, zu ermöglichen.
Welche Rolle sollte der BHC jetzt in dieser Situation als Berlins erfolgreichster Hockeyverein einnehmen?
Wir bringen uns konstruktiv und konsensorientiert in die Diskussionen ein und versuchen dennoch dabei zu gestalten und unsere Vorstellungen einzubringen und umzusetzen. Ich glaube, dass was uns die Corona-Krise gelehrt hat ist, dass wir – bei aller Konkurrenz auf dem Platz – in übergeordneten Fragen nur etwas erreichen können, wenn die Vereine an einem Strang ziehen. Sowohl in Deutschland als auch im Berliner Mikrokosmos. Michael Jordan ist auch erst ein überragender Basketballspieler geworden, als er verstanden hat, dass es auf das Team ankommt und nicht auf die Leistung des einzelnen Spielers. Da müssen wir im Hockey noch hinkommen.
Vielen Dank für das ausführliche Interview, Dirk!
Foto: BHC / privat